1802
- ? Im Herzen trag’ ich still
ein holdes Wähnen,
Als wär’ ich nah dem letzten Athemzuge
Und losgebunden schon vom Erdentruge,
Der mich umstrickt mit dumpfem, düsterm Sehnen.
Als läg’ vor mir das Land des Himmlischschönen,
Folg’ ich der Heil’gen glanzumfloss’nem Zuge,
Und schweb’ von Stern zu Stern im Seraphfluge
Und lausch’ des All’s melodisch süßen Tönen.
Die Jungfrau seh’ im Strahlenkranz ich prangen,
Und Gnade lächeln aus der Engelmiene;
Ein heil’ger Schauer hält mich süß umfangen.
Da ward das ird’sche Auge mir gebunden.
Noch nicht vollendet ist des Sünders Sühne,
Und Traum nur ist’s in süßen Geisterstunden!
1802
- ?
Siehst du die Spiegelflächen ausgebreitet
Und hörst der Wellen schäckerndes Gekose
Und fernher ein schauerlich Getose,
Wie wenn ein Donner über Alpen schreitet?
Die Wolken dort, von Mövenflug begleitet,
Der Gipfel Wiederglanz im Wasserschoße,
Die Sonne, die beim Kuß der Alpenrose,
Der glühenden, zum Scheiden sich bereitet,
Des Klosterpaares still Entgegentrauern
(Ein ernster Geist umwehet seine Mauern
Und melancholisch flüstert’s dir zu Ohren):
Freund, möchte nimmer uns dieß Bild entschwinden!
Ja, hier ist unser Frieden aufzufinden,
Den uns die Welt, die rauschende, verloren!
1802
- ?
I.
Mein Dörfchen du, mit deinen heitern Gründen,
Mit deinen waldbekränzten Hügelreihen!
In deine Marken flücht’ ich mein Erfreuen,
Den längst entfloh’nen Frieden mir zu finden!
Was kann das Herz, das wildbewegte, binden,
Was kann’s zur schönen Heimath schöner weihen,
Und was ihm Kraft und Leben wieder leihen,
Als eines stillen Friedens froh Empfinden?
Hier unter Gottes freiem, reinem Himmel,
Hier schweiget des Gemüthes Kampfgetümmel,
Hier ist des Müden längst ersehnter Port!
Und ist des Lebens Sturm vorbeigegangen,
Und hält den Sänger Todesnacht umfangen;
Sein letztes Freudenlied verklinge dort!
II.
Da liegt sie still vor mir des Frühlings Aue,
Vom Frieden Gottes freundlich überweht.
Wohin ihr, trunkne Augen, immer seht,
Ihr staunt hinaus zum schönen Weltenbaue!
Und wie die Welt sich spiegelt in dem Thaue,
Der über tausend Blüthen hingesät
(Ich stehe still in sinnendem Gebet
Und schau’ hinauf in’s endlos heitre Blaue):
So strahlt des Schöpfers Vatergüte wieder
Entzückend mir in der gerührten Brust,
Des heil’gen Augenblickes sich bewußt.
Vom Auge fällt der Schleier mir herab,
Und sieghaft stehend über Tod und Grab
Stürm’ ich in meine Lyra Jubellieder!
1802
- ? Leg’ wohl, mein Thal, in
leiser Mittagsstille
Mit deines Friedens sel’ger Zauberkraft,
Mein Thal, das oft dieß Herz, von Gram erschlafft,
Erquickt mit süßer Labung froher Fülle!
Und ihr Gestalten all in freundlichem Gewühle,
Die ihr den oft bewegten Busen traf’t
Und manche Götterfreude mir verschafft,
Lacht jetzt hervor aus düstrer Nebelhülle!
Mein trauter Fluß und dort am wald’gen Saum’
Du ragend Schloß und rings du Hügelreihe,
Euch dank’ ich manchen lieben Jugendtraum!
Was hier der Knabe hat geliebt, gefühlt,
Es war des Dichters erste, heil’ge Weihe.
Er dankt sie euch, und segnet euer Bild!
1802
- ? Wenn du auf’s Schmerzenlager
hingelehnet
Der Tage zählest und der Stunden Gang,
(Ach, nicht mehr Flug!), und wenn du heiß und bang
Nach Mitgefühl und Tröstung dich gesehnet;
Dann lerne fühlen in des Schmerzens Drang,
Daß zu dem Leidenden sich Keiner sehnet.
Er lieget freundlos, und kein holder Klang
Tönt an das Herz, das sich verlassen wähnet.
Da tritt die Mutter her in leisen Tritten
Und bietet hilfreich überall den Arm,
Des Kindes Trost und Retterin zu werden.
Sie hat ja auch, die Mutter, mitgelitten.
Ach nur Ein Lieben lebt auf Gottes Erden,
Und das ist Mutterliebe, zart und warm!
1802
- ? Ein goldnes Blümlein fühl’
in mir ich wohnen,
Und meines Lebens Ziel und Sinn ist sein.
Des Blümleins Duft weht himmlischsüß und rein.
Nicht tausch’ ich es um goldne Königskronen.
Still pfleg’ ich dieser Blüth’ aus schöner’n Zonen.
Im kalten Norden will sie nicht gedeih’n.
Wird sie die treue Pflege je belohnen,
Mit süßer Frucht den Harrenden erfreu’n?
Auf zartem Stängel schwankt die holde Blüthe.
Vor jedem Sturm, ach, kann ich sie nicht schützen,
Und nur mit meinen Thränen sie begießen!
Ob, traute Hoffnung! auch das Schicksal wüthe,
Auf Einen Glauben will ich fest mich stützen,
Daß aus den Thränen wird Erfüllung sprießen!